Viorellas neue Heimat

Mit klopfendem Herzen sah ich im November letzten Jahres der Ausbildung mit meiner neuen Blindenführhündin entgegen. Ich kannte ihren Namen: Viorella, ihre Farbe: blond und dass sie ein etwas kräftiger und damit ruhiger Labrador sei. Der Tag der Begegnung kam und Viorella eroberte mich im Sturm, im wahrsten Sinne des Wortes: die ersten Tage der Einschulung waren mit Regen und Schneetreiben durchsetzt.

Von Herrn Seitle wurde ich auf die besonderen Eigenschaften, das Verhalten und die Eigenarten eines Blindenführhundes hingewiesen. Unsere Lehrerin Katrin bewies beim Training eine Engelsgeduld und so lernten wir Neuburg und Ingolstadt gründlich kennen. Das Vertrauen zu meinem Hund wuchs von Tag zu Tag und ich fühlte mich ständig sicherer. Um eine kleine Pause einzulegen fährt mein Führhund liebend gern Bus. Von den Mitarbeitern des Sporthotels, wo wir während der Einschulung untergebracht waren, wurden wir freundlich umsorgt und durch ihr einnehmendes Wesen fand Viorella ständig neue Fans. Der Muskelkater der ersten Tage war rasch vergessen.

Nach 2 Wochen Bayern ging es in die ostwestfälische Heimat. Die lange Fahrt, die mir zunächst Kopfschmerzen bereitete, war für Viorella kein Problem. Das beweist sie auch immer wieder: Ssie verreist sehr gern. Zu Hause wurden wir mit großem Hallo begrüßt, alle Nachbarn und Freunde wollten den neuen Führhund kennen lernen. Für Viorella toll: es passiert was.

Die heimischen Wege bereiteten ihr keine Schwierigkeiten, selbst die einzige Fußgängerampel in unserer Kleinstadt fand sie ohne vorheriges Üben sofort. Stolz erwartete sie ihr Leckerli. Als die Trainerin Katrin nach einer Woche heimfuhr war ich trauriger als Viorella. An dem Cafe, das wir während unserer Ausbildung manchmal aufsuchten, lässt meine Hündin mich nicht mehr vorbei. Ihren damaligen Stammplatz (erster Tisch hinter der Glastür) sieht sie mittlerweile als ihr Eigentum an. Auch beim Frisör führt sie mich immer zum gleichen Stuhl, egal ob eine Kundin dort sitzt oder nicht. Eine besondere Herausforderung für sie sind Menschenansammlungen. Schwanz wedelnd bahnt sie sich ihren Weg und ich muss mit. Ihr Leben heißt jedoch nicht nur Arbeit sondern auch Freizeit.

Gern spielen wir gemeinsam im Garten, wo sie bei der Umgestaltung sehr behilflich war. Das Umsortieren von Kaminholz zählt zu ihren Lieblingsbeschäftigungen und Fallobst wird gegen entsprechendes Leckerli abgeliefert. Beim Gassi gehen sind wir über die Dauer nicht immer der gleichen Meinung, Regen stört sie nicht – mich schon und nicht überall findet sich sofort ein Gebüsch, hinter dem man sein Geschäft erledigen kann, besonders nicht am Strand in Frankreich. Sprachprobleme mit ihren Artgenossen hatte sie dort allerdings nicht. Auf charmante Weise hat Viorella mein Herz und das meines Mannes erobert und findet uns scheinbar o.k. Unser großer Dank gilt der Führhundschule Seitle samt Team.